Sonntag, 2. August 2009

Mutant Chronicles (Blu-ray)

Wenn ein Rollenspieler den Titel „Mutant Chronicles“ hört, denkt er dieser Tage vor allem an das schicke Sammelfigurenspiel von Fantasy Flight Games. Tatsächlich ist das jedoch der Name eines 1993 von Target Games publizierten Rollenspiels, das in einer postapokalyptischen Welt die Soldaten von vier Megakonzernen gegen die Horden der Dark Legion ums Überleben der Menschheit kämpfen lässt. Aus diesem düsteren Setting hat Regisseur Simon Hunter jetzt einen futuristischen Actionkracher mit Thomas Jane, Ron Perlman, Benno Fürmann und John Malkovich gemacht.

von Frank Stein

Die Handlung

Wir schreiben das Jahr 2707. Die Menschheit hat alle natürlichen Ressourcen der Erde aufgebraucht, und es herrscht Krieg zwischen den Armeen der vier führenden Großkonzerne Bauhaus, Capitol, Imperial und Mishima. Während einer Schlacht zwischen Truppen von Bauhaus und Capitol wird versehentlich ein uraltes Siegel freigesprengt, das eine Welt unter der Erde verschlossen hielt. Hier unten sperrten die Menschen vor zwei Jahrtausenden „The Machine“ ein – eine aus dem All gekommene Maschine, die Menschen in blutrünstige Mutanten verwandelt. Erneut zum Leben erweckt, schwärmen die Schergen der Maschine über die Erde aus, und die Menschheit kann ihnen nichts entgegensetzen, denn die „untoten“ Krieger verspüren keine Schmerzen und sind kaum umzubringen.

In dieser auswegslosen Lage begibt sich Samuel – ein Priester jener geheimen Bruderschaft, die das Wissen um und die Lage der Maschine Jahrtausende geheim gehalten hat – mit seiner stummen, aber kampferprobten Novizin Severian auf die Reise, um eine Truppe tollkühner Söldner zusammenzustellen, die mit ihm zum Herz der Maschine vordringen und diese zerstören soll. Unter seinen Rekruten befinden sich der desillusionierte Ex-Capitol-Soldat Mitch Hunter, der aristokratische Bauhaus-Offizier Steiner und die Mishima-Kriegerin Valerie Duval. Im Gepäck haben sie ein uraltes Bauteil der Maschine, von dem es heißt, es mache die Maschine unschädlich, sowie ein Buch, das den Reisenden den Weg in die Dunkelheit zeigt. Es wird eine Mission ohne Wiederkehr.

Der Film

Trotz aller Versuche seiner Macher, dem Film mit Namen wie „Punisher“ Thomas Jane, „Hellboy“ Ron Perlman, John Malkovich, Benno Fürmann und der asiatischen „Sin City“-Schönheit Devon Aoki einen Hauch von Big Budget zu verleihen, ist „Mutant Chronicles“ im Grunde ein B-Movie. Die Story weist Löcher auf, die zu groß sind, um sie selbst mit dem Riesensiegel der Bruderschaft zu schließen. So mag man sich fragen, warum die Bruderschaft, wenn sie schon seit dem ersten Krieg gegen die Mutanten im Mittelalter die sehr exakte Anleitung und das Bauteil zur Zerstörung der Maschine besitzt, diese nicht bereits damals ausgeschaltet hat.

Ähnlich könnte man sich wundern, warum Samuel nur ein dreckiges Dutzend an Söldnern zur Verfügung gestellt wird, wenn man doch auch mit einer Legion von Schwert schwingenden Soldaten hätte angreifen können (nun gut, manchmal führt Heimlichkeit eher zum Ziel als Gewalt – das mag immerhin sein.) Dazu kommen mitunter völlig belanglose Dialoge, ein vor allem zu Anfang irgendwie holpriger Schnitt und Spezialeffekte, die den tatsächlichen Independent-Charakter der Produktion nicht verbergen können. Entsprechend startete der Film auch zuerst in Russland, dann Griechenland und den Philippinen. Hierzulande kam er direkt auf DVD heraus.

Man kann das Ganze aber auch anders sagen: „Mutant Chronicles“ ist im Grunde ein B-Movie. Als ein solches aber macht der Film durchaus Spaß! Das mit schmalem Budget, aber viel Herzblut auf der Isle of Man realisierte, düstere Kriegsszenario, das die visuelle Tristesse des 1. Weltkriegs mit Steampunk-Elementen und Zombie-Horror mischt, vermag Fans ungewöhnlicher Weltenentwürfe durch irre Ideen, wie etwa dampfbetriebene Raumschiffe, zu begeistern. Der Geldmangel wird durch viel Nebel, Regen, Dunkelheit und den geschickten Einsatz digitaler Farbfilter kaschiert, was dem Ganzen eine zusätzlich bedrückende Atmosphäre und einen sehr eigenen Stil verleiht, der stark mit Sepiatönen, viel Schwarz-Weiß und einigen gezielten Farbflecken arbeitet. Hierzu passt sogar das „Sin City“-artig grellrote Kunstblut, das in den Kampfszenen immer wieder spritzt.

Die Mutanten sind eine Art krude, aber durchaus sehenswerte Mischung aus frankenstein’schen Kreaturen und den Borg aus „Star Trek“ (in einer Szene erlebt man sogar die Steampunk-Version einer Borgifizierung des Protagonisten). Und die Handlung bietet so viel Stoff und lässt so viele Details einer spannenden „Spielwelt“ aufblitzen, dass einem die 112 Minuten viel zu kurz erscheinen. Die Queste Bruder Samuels und seiner achtköpfigen Ringgemeinschaft – pardon: Söldnertruppe –, die ausziehen, um Sauron – verflixt: The Maschine – ein ringförmiges Etwas ins Herz zu rammen, hätte also gerne noch länger dauern können.

Die Blu-ray

Die Blu-ray bietet theoretisch ein Top-Bild und sogar DTS-HD 7.1 Ton. Faktisch ist der Film über weite Strecken zu dunkel, als dass die hohe Auflösung wirklich zum Tragen käme. An einigen Stellen ist zudem Unruhe im Bild zu bemerken, etwa ein Flirren auf Ron Perlmans roter Mönchskutte oder leichtes Rauschen im Schwarzbereich. Dies dürfte aber weniger ein Kompressionsproblem, sondern eher der nachlässigen digitalen Nachbearbeitung geschuldet sein.

Das Bonusmaterial hält sich in Grenzen. Es gibt eine 6-minütige B-Roll, also unsortiert zusammenmontierte Filmaufnahmen der Dreharbeiten, außerdem eine Reihe Kurzinterviews mit den Darstellern und der Crew sowie den Trailer. Das war es auch schon. Kurioserweise gab es mal vor einem Jahr oder so eine offizielle Website zu dem Film, auf der sich diverse Weblogs zur Produktion befanden. Diese haben es leider nicht auf die Silberscheibe geschafft. Allerdings sind sie auch im Netz irgendwie nicht mehr zu finden (was bedauerlich ist).

Fazit: Im großen Ganzen ist „Mutant Chronicles“ durchaus eine positive Überraschung. Natürlich hat der Film diverse handwerkliche Schwächen, aber wer kein großes Kino erwartet, sondern schlichte Genre-Kost mit ein paar echt netten Einfällen, der wird nicht enttäuscht werden. Wer Filme in der Art von „Pitch Black“ mag, der dürfte auch mit diesem Science-Fiction-Action-Kriegsfilm (und ein paar Bier) einen unterhaltsamen Samstagabend verbringen.

Eine Anmerkung am Rande: Die DVD ist hierzulande in seiner ungekürzten Fassung nur mit SPIO/JK-Siegel erschienen, was einen furchtbare Brutalitäten erwarten lassen würde. Tatsächlich ist der Film kaum brutaler als der bereits angedeutete „Herr der Ringe“. Ja, ein paar Soldaten werden Mutanten-Dorne durch den Schädel getrieben. Ja, hier und da hauen die Helden dreckigen Untoten auch mal Gliedmaßen ab. Aber all das bewegt sich in einem derart fantastischen und optisch stilisierten Umfeld, dass es einen kaum mehr berührt, als wenn Gimli einem Uruk-hai die Rübe vom Hals hackt. Und all die Kriegsfilme, denen die Macher vor allem in der Eingangssequenz nacheifern, sind in ihrer realistischen Darstellung von Tod und Verstümmelung definitiv härter!

Mutant Chronicles
USA 2008
Regie: Simon Hunter
Darsteller: Thomas Jane (Mitch Hunter), Ron Perlman (Bruder Samuel), John Malkovich (Constantine), Benno Fürmann (Steiner), Devon Aoki (Valerie Duval)

Vertrieb: Splendid Film
Erscheinungsdatum: 31.10.2008

Länge: 112 min.
Bildformat: 1,85:1 (1080p HD)
Tonformat: Deutsch (Dolby DTS 7.1), Englisch (Dolby DTS 7.1)
Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: B-Roll, Interviews mit Cast & Crew, Trailer

Preis: EUR ca. 20,00

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