Montag, 15. September 2008

Miles Flint 5: Paloma

Miles Flint kehrt nach langer Abwesenheit auf den Mond zurück. Sogleich erhält er einen panischen Anruf von seiner früheren Mentorin Paloma. Er eilt zu ihrem Apartment, doch es ist bereits zu spät: Paloma wurde brutal ermordet. Zuvor hat sie ihn zu ihrem Alleinerben ernannt, was Flint nicht nur eine Menge Geld, sondern auch eine Menge Schwierigkeiten einhandelt. Als potenzieller Mörder gesucht und mit einer Festplatte voll brisanter Daten gerät Flint in Spiel auf Leben und Tod.

von Frank Stein

Kristine Kathryn Rusch war mir bislang nur als Franchise-Schreiberin bekannt. Sie hat Romane zu „Star Trek“ verfasst, zu „Roswell“ und einen Beitrag zu „Star Wars“, dessen Qualität sich in Grenzen hielt. Doch seit einer Weile ist mir nun schon ihre Science-Fiction-Krimireihe um den Ermittler Miles Flint aufgefallen. Jüngst habe ich dann auf einem Bahnhof vor einer längeren Zugreise spontan zugeschlagen – und es nicht bereut!

„Paloma“ ist der fünfte Band einer Reihe lose verknüpfter Fälle, in die der Protagonist Miles Flint verstrickt wird. Flint, ein Ex-Cop, der sich selbstständig gemacht hat, um nur seinem Gewissen folgen zu müssen und nicht irgendwelchen obskuren Aliengesetzen, arbeitet als Lokalisierungsspezialist. Sein Job ist es, Verschwundene aufzufinden – jedoch nicht, um sie wie ein Kopfgeldjäger dem Gesetz zuzuführen, sondern eher um selbigen gute Nachrichten zu überbringen (etwa die Aufhebung eines Haftbefehls).

Doch der aktuelle Fall trifft ihn persönlich: Seine Mentorin Paloma, die er seit Monaten nicht mehr gesehen hat, wird just in dem Augenblick auf bestialische Weise umgebracht, als Flint nach einer längeren Reise zur Mondkuppel Armstrong zurückkehrt. Da sie ihm eine Menge Geld vermacht hat, gerät er natürlich ins Visier seiner früheren Kollegen und muss sich unsichtbar machen, um auf eigene Faust die Täter und vor allem die Motive des Mords zu ermitteln. In alten Dateien von Paloma stößt er dabei auf Unglaubliches. Die Frau, die er zu kennen glaubte, ist nicht die, für die er sie immer gehalten hatte.

Rusch entwirft in „Paloma“ (und ich nehme an, der ganzen „Miles Flint“-Reihe) eine futuristische Cop-Story, ohne jedoch in die allzu beliebte Future-Noir-Richtung abzudriften. Flint ist kein „Blade Runner“ und es treten keine korrupten Bullen, leichten Mädchen und schmierigen Informaten auf. Zwar wirkt das Setting mitunter heruntergekommen und schwer vom Mondstaub angegriffen – doch im Grunde bewegt sich die Handlung in sehr zivilisierten Kreisen, in denen die Handelnden teure Kleidung tragen, gutes Essen mögen und ein nicht unbeträchtliches Vermögen auf dem Bankkonto haben. Und dennoch haben die meisten irgendwie Dreck am Stecken und/oder kommen aus deutlich einfacheren Verhältnissen. Ihre Vergangenheit, die zum Teil wohl in früheren Bänden erzählt wurde, ist hier nur in Andeutungen wiedergegeben – wodurch der Roman auch gut für sich alleine stehend gelesen werden kann (auch wenn natürlich Neugierde geweckt wird).

Sehr gelungen ist die Umsetzung des Science-Fiction-Elements. Das Futuristische wird als etwas höchst Alltägliches dargeboten, und es wird kein großes Aufheben darum gemacht, dass man auf dem Mond lebt, Aliens durch die Straßen laufen und es offenbar überlichtschnellen Raumflug gibt. Eher beschwert man sich über das miese künstliche Essen, begegnet voller Misstrauen den Biomodifikationen seiner Mitmenschen und lebt mit der vollständigen Vernetzung des eigenen Ichs mit seiner Umwelt (in Form so genannter „Links“, einer Art Biocomputer inklusive Aufnahmegeräten, Datendisplays im Auge, Festplatten im Kopf und mental gesteuerten Funkkanälen).

Wenn man „Paloma“ etwas vorwerfen kann, dann am ehesten, dass die Ermittlungsarbeit ziemlich unspektakulär verläuft und sich neue Erkenntnisse vor allem aus Laborberichten, Internetrecherche und dem Wühlen durch Palomas Vermächtnis einstellen. So wird zwar eine üble Verschwörung aufgedeckt, aber irgendwie lässt es einen als Leser auch ein wenig kalt, denn das Verbrechen ist alt und abstrakt und wird nur in trockener Datenform präsentiert. Emotional aufwühlende Nähe zum Geschehen erlaubt Rusch dem Leser nicht – und auch ihre Figuren sind nur ganz selten wirklich „erregt“. Das meiste scheint Polizeiarbeit „as usual“ zu sein.

Nichtsdestoweniger gelingt es Rusch, den Leser an ihre Geschichte zu fesseln. Das liegt zum einen an den interessanten Nebenfiguren, wie dem aufrechten Detective Nyquist und der abgebrühten Anwältin Van Alen, zum anderen aber schlicht an den geschickt hinausgezögerten Antworten auf die Fragen nach den Hintergründen von Palomas Ermordung. Und selbst wenn die Handlung in diesem Fall nicht völlig überzeugt hat, macht das Buch neugierig auf die anderen Abenteuer von Miles Flint.

Fazit: „Paloma“ ist ein kleiner, gefälliger Science-Fiction-Krimi, wobei der Schwerpunkt deutlich auf der Kriminalhandlung liegt. Würden nicht Aliens herumlaufen und das Ganze auf dem Mond spielen, könnte der Roman auch eine sehr irdische Cop-und-Anwalt-Story sein. Die Handlung lebt etwas zu sehr von der Schreibtischarbeit, doch die realistischen Figuren und das betont unaufgeregte Zukunfts-Setting machen Ruschs Roman dennoch zu einem Buch, das einen Spontankauf wert ist.

Paloma (Miles Flint Bd. 5)

Science-Fiction-Roman
Kristine Kathryn Rusch
Bastei Lübbe 2008
ISBN: 978-3-404-23325-0
463 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 8,95

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