Soap-Alarm im All! Nein, okay, das war jetzt ein bisschen gemein. Die dritte Staffel von „Star Trek Voyager“, seit kurzem auch in unserer Galaxis auf DVD erhältlich, ist weit davon entfernt, uns in deratige Niederungen der TV-Landschaft herabzuziehen. Doch es lässt sich nicht leugnen: Auf dem Intrepid-Klasse-Raumschiff menschelt es sehr im Jahre 2373.
von Frank Stein
Nach der Kazon-Bedrohung der ersten und zweiten Staffel und vor dem Borg-Handlungsbogen ab der vierten liegt die Konsolidierungsphase der Voyager-Crew. Man hat sich mit der Situation abgefunden und widmet sich nun nicht mehr nur dem Überleben im Delta-Quadranten, sondern versucht, dem Exil auch angenehme Seiten abzugewinnen. Am nachhaltigsten demonstriert sich das in dem exorbitanten Gebrauch des Holodecks – insbesondere einer Simulation im karibischen Cluburlaub-Stil, die offenbar zum festen Freizeitprogramm der Mannschaft gehört. Doch auch „zwischenmenschlich“ (trotz all der emotional beteiligten Alienvölker in Ermangelung eines besseren Wortes mal anthropozentrisch ausgedrückt) tut sich einiges. Die Beziehung von Neelix und Kes driftet auseinander, weil die junge Ocampa das Bedürfnis hat, sich weiterzuentwickeln. Im Gegenzug dafür funkt es zwischen Tom Paris und B’Elanna Torres – genau genommen fliegen erstmal die Fetzen, doch in der eher stürmischen Annäherung liegt unübersehbar der Keim einer zukünftigen Beziehung! Harry Kim und ausgerechnet der kühle Logiker Tuvok treten in kurze Rivalität um die Gunst eine Holoschönheit. Derweil versucht der Holo-Doc nicht nur, seine Charakter-Parameter etwas aufzupeppen, sondern auch das Leben in einer Familie kennen zu lernen. Oh, und Captain Janeway muss sich der amourösen Avancen Qs erwehren, während sie sich gleichzeitig zunehmend der Erkenntnis stellen muss, dass das Leben an der Spitze der Hierarchie relativ einsam ist.
Es ist weniger ein Kritikpunkt als eine simple Feststellung, dass sich „Voyager“ in seinem dritten Jahr auffällig charakterzentriert gibt. So bleiben Bedrohungen beispielsweise weitestgehend auf Episoden-Niveau begrenzt. Einen Staffelgegner wie zuvor die Kazon gibt es nicht mehr, wenngleich Andeutungen bereits die Borg etablieren, die mit voller Macht allerdings erst in der finalen Episode „Skorpion, Teil 1“ auftreten, in der die Voyager den Rand des Borg-Raums erreicht, um den ein erbitterter Krieg geführt wird. Weiteres Staffelhighlights ist die Folge „Tuvoks Flashback“, in der wir eine mentale Reise in die Vergangenheit des Vulkaniers machen, die uns an Bord der „U.S.S. Excelsior“ führt – inklusive Auftritt zahlreicher Gaststars! – und die Ereignisse des Kinofilms „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“ aus neuer Perspektive zeigt. Ein groß angelegtes Zeitreiseabenteuer bietet indessen der Zweiteiler „Vor dem Ende der Zukunft“, in welchem die Voyager ins Fadenkreuz eines Zeitpolizisten gerät, der Janeway beschuldigt, für die Auslöschung der Erde verantwortlich zu sein. Während des Zwischenfalls wird man in das Jahr 1996 geschleudert und muss in Los Angeles auf Spurensuche gehen, um die Tragödie abzuwenden.
Hinsichtlich der Präsentation der Serie gibt es nichts Neues zu vermelden. Die 26 Episoden sind nach wie vor auf sieben DVDs abgelegt, wobei auf der siebten DVD zusätzlich die Extras untergebracht wurden. Auch das Boxendesign entspricht weiterhin der Reihe: rote Hülle, silberner Aufdruck, neckisch „ausgesägte“ Fenster, farblich abgestimmte Pappummantelung im Inneren und nach wie vor lieblos schmale Klarsichthalterungen samt Klebestreifen zur Aufbewahrung der eigentlichen Bildträger. Das Startmenü lässt diesmal ein Shuttle aus vier Richtungen anfliegen – ein netter, kleiner Bonus, dass hier weiterhin auf inhaltlichen Wechsel geachtet wurde (mal sehen, welches Schiff uns zu Staffel 4 begrüßt).
Doch werfen wir ein Blick auf die Specials, die einmal mehr eine solide Mischung aus gelungenen und weniger gelungenen Features anbieten. Der erste Wermutstropfen gleich zum Einstieg: Auf Textkommentare wurde diesmal gänzlich verzichtet, was meines Erachtens sehr schade ist. Gerade „Tuvoks Flashback“ oder „Skorpion“ hätten durch einen Kommentar zusätzlich aufgewertet werden können. Allerdings gibt es zur Excelsior-Episode ein nettes Feature, in dem vor allem die Anstrengungen betont werden, die betrieben wurden, um diese Geschichte so authentisch wie möglich zu machen.
In „Auf ins Unbekannte: Staffel 3“ erzählen die Macher und Schauspieler von den Höhen und Tiefen der dritten Runde „Voyager“. Es wird davon berichtet, wie der Doc zur Lieblingsfigur der Autoren aufsteigt und wie Roxann Dawson und Robert Duncan McNeill im fiebrigen Liebesreigen des „Pon Farr“ mit B’Elanna und Tom Paris ein Ausleuchtungsballet hinlegten. Die „Voyager Zeitkapsel“ gibt es diesmal gleich im Doppelpack: einmal Neelix gewidmet, einmal Kes. Und so sehr es Spaß macht, dem auf sympathische Weise bescheidenen Neelix-Darsteller Ethan Phillips zuzuhören, so bedauerlich ist es, dass Jennifer Liens Interpretation ihrer Kes-Rolle auf ein Interview von 1994 beschränkt bleibt. Sie und Robert Beltram (Chakotay) scheinen die Einzigen zu sein, die für die DVD-Umsetzung von „Voyager“ nicht zur Verfügung standen. Der Trekkie hat so eine Ahnung, warum...
Aufs Neue sehr interessant ist auch in der dritten Staffel „Roter Alarm: Unglaubliche Special Effects“ geraten. Dan Curry und Ronald B. Moore berichten beispielsweise über die Umsetzung der Staffeleinstiegsepisode „Der Kampf ums Dasein“ und den Zweiteiler „Vor dem Ende der Zukunft“. Spannend dabei sind vor allem die Vorher-Nachher-Aufnahmen, die teilweise Schritt für Schritt den digitalen Verfremdungsprozess dokumentieren. Wie immer hätte ich den Beiden locker die doppelte und dreifache Feature-Länge zuhören können.
André Bormanis legt diesmal den Schwerpunkt auf die Astronomie von „Voyager“, die – wie alles andere auch – möglichst nah an dem, was wir heute über unsere Galaxis wissen oder interpolieren können, liegen sollte. Rückendeckung lässt er sich von den zwei Astronomen, Dr. Neil deGrasse Tyson und Dr. Sallie Baliunas, geben, die, unter gewissen Einschränkungen, dem ganzen Star-Trek-Phänomen einen Ansatz zugestehen, der sich von der puren Space Opera à la „Star Wars“ deutlich unterscheidet.
„Die Entstehung der Voyager Crew“ wirft einen Blick auf die ursprünglichen Charakterkonzepte aller Hauptdarsteller. Zunächste folgt ein Auszug aus der „Voyager“-Bibel für Autoren, dann eine beispielshafte Szene und schließlich lässt Michael Piller noch ein paar Gedanken zum Thema einfließen. Zum kollektiven Gläserheben lädt „Momente: Das 30. Jubiläum von Star Trek“ ein, ein kurzer Streifzug entlang des Roten Teppichs der Paramount Gala am 6.10.1996, der neben den üblichen Verächtigen eine Reihe hübscher Momente u. a. mit einem vitalen DeForest Kelley und einer aufgedrehten Kirsten Dunst einfängt (lange vor ihrer Karriere als Spinnenmannbraut).
Ein regelrechter Hohn (sorry) ist das Feature „Borg Invasion 4D“. Ein grandioser Trailer für den neuen Theme-Ride des „Star Trek: The Experience“-Parks im Hilton Hotel in Las Vegas macht Lust auf einen feinen Blick hinter die Kulissen, doch nach 57 Sekunden ist alles schon wieder vorbei. Es bleibt bei dem Trailer. Mehr ist da nicht. Nada. Und das Allerbeste: Exakt den gleichen Trailer gab es in Staffel 2 schon einmal zu sehen. (Darum gibt‘s von mir auch exakt die gleiche Kritik, nur gepaart mit dem Unverständnis, warum wir hier zum zweiten Mal für dumm verkauft werden.)
Eine Bildergallerie und zwei DVD-Werbetrailer für die TNG- und DS9-Boxen schließen das Feature-Programm ab. Zudem verstecken sich noch vier Easter-Eggs mit kurzen Anekdoten in der Shuttlehülle im Menü. Alles in allem ein ordentliches Programm, das überwiegend Spaß macht und insbesondere dem Gelegenheitstrekkie den einen oder anderen netten Insider-Blick verschafft.
Fazit:
Die dritte „Voyager“-Staffel hängt ein bisschen zwischen den Kazon und den Borg und nutzt diesen Mangel an größerer Bedrohung zu einer Vertiefung der Beziehungen an Bord des im fernen Delta-Quadranten verschollenen Raumschiffes. Vor allem Charaktere wie Tuvok und der Holo-Doc gewinnen dabei, was einige der besten Episoden der Staffel mit sich bringt. Durch die langsame Annäherung an die Borg ab Episode 16 wird zudem die Erwartungshaltung auf die vierte Staffel geschürt. Das mag zwar irgendwie kontraproduktiv wirken, doch tolle Episoden wie „Charakterelemente“, „Das wirkliche Leben“ und „Rebellion Alpha“ entschädigen für die Wartezeit bis zum grandiosen Finale „Skorpion“, das einen Ausblick auf die vielleicht dramatischste Passage der Voyager-Reise bietet: den Borg-Raum.
PS: Im Begleitheft schreiben wir übrigens seit drei Staffeln das Jahr 2371. Schlamperei! Da sollte mal jemand die Sternzeit weiterdrehen ...
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